Kader Attia, Asesinos! Asesinos!, 2014, 134 Holztüren, 47 Megafone, Dimensionen variabel, Installationsansicht, Australian Centre for Contemporary Art, Melbourne. Vehbi Koç Foundation Contemporary Art, Istanbul © der Künstler. Foto: Andrew Curtis.
Narrative Strukturen
Seit den 1990er Jahren erleben narrative Strukturen ein Revival. Das Interesse von Museumskurator*innen und Ausstellungsmacher*innen richtet sich auf erzählende Kunst in der Gegenwart und zieht eine Vielzahl von Ausstellungsprojekten nach sich. Zwar ist seit dieser Zeit vermehrt die Rede von Erzählstrukturen und narrativen Dimensionen in der Kunst, jedoch werden diese meist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur erkannt ohne sie differenzierter und tiefgehender zu erforschen. Es existieren kaum erzähltheoretisch beeinflusste, kunsthistorische Analysen zeitgenössischer erzählender Kunstwerke, hingegen aber eine Reihe von Einzelanalysen über die Kunst bis zum 19. Jahrhundert. Für eine Untersuchung künstlerisch-historiografischer Erzählstrategien ist es daher unabdingbar, den Erzählbegriff und die damit zusammenhängende Terminologie zu klären und für dieses Forschungsprojekt festzulegen.
Als einer der Wegbereiter für die Betrachtung narrativer Strukturen in der Kunst gilt der Kunsthistoriker Wolfgang Kemp und sein rezeptionsästhetischer Ansatz. Die Erzählmöglichkeiten bewegter und unbewegter Bilder werden auch von der Literaturwissenschaftlerin Marie-Laure Ryan ausgelotet, die Phänomene miteinbezieht, die üblicherweise (noch) nicht als narrativ gelten. Die erwähnten Ansätze aus der neueren Kunstgeschichte, Literatur- und Erzähltheorie werden um zielführende Fragen pointiert: Was kann in der Kunst narrativ genannt werden? Was konstituiert die sogenannten «Narreme»? Wie lässt sich vermittels einer narratologisch ausgerichteten Untersuchung ein Anschluss der neueren Kunstgeschichte an die Narratologie herstellen und eine konzise Definition des narratologischen Vokabulars leisten?