Micol Assaël, Meteorologie- und Hochspannungsforschungszentrum, Istra, in der Nähe von Moskau.
Archivalische Praktiken
Ein Archiv ist ein diskursiver Ort. Durch Methoden der Sortierung und Speicherung von Archivalien werden historische Daten generiert, hervorgehoben oder verschwinden. Es ist ein Produktionsort, an dem das menschliche Verhältnis zur Vergangenheit sichtbar wird und an dem sich die Gegenwart in die Zukunft einer Gesellschaft einzuschreiben vermag. So wie wir die Vergangenheit bewahren, werden wir uns in der Zukunft verhalten und verändern wollen.
Im Rahmen des Themenfeldes Archivalische Praktiken werden künstlerische Arbeitsweisen erforscht, die dem Archiv als einem Ort verloren gegangener oder verdrängter historischer Informationen zu neuer Sichtbarkeit und physischer Präsenz verhelfen. Sie setzen sich mit Strukturierungsprozessen von Archiven auseinander und legen einen Schwerpunkt auf verdrängte und ungeteilte Erfahrungen, sogenannte «Gegenerinnerungen» (engl. counter-memories). Seit den 2010er Jahren kursiert hierfür in der Kunst- und Kulturtheorie zudem der Terminus des «diffizilen Wissens» (engl. difficult knowledge), der auf unzureichende, abwesende und fragwürdige Repräsentationen von vergangenen Ereignissen in Archiven verweist. Vermittels dieser archivalischen Praktiken in der Kunst können vergessene oder weniger beachtete Ereignisse nachträglich anerkannt werden. Forschungsfragen sind: Welche Archive werden von Künstler*innen in ihren Arbeiten thematisiert? Nach welchen Kriterien konstruieren Künstler*innen selbst archivalische Strukturen? Wie inkludieren sie diffiziles Wissen und strukturelle Abwesenheiten in ihren Arbeiten?